Lauert - стр. 11
»Fast jeder hier weiß, wer du bist. Du könntest also sagen, dass dein Ruf dir vorauseilt.«
Sie war schließlich die einzige Praktikantin, die schon etwas „Praktische Erfahrung“, wie man es landläufig nannte, geschnuppert hatte.
Beim Gedanken an das Wort unterdrückte sie einen weiteren Seufzer.
„Praktische Erfahrung.“
Sie fand es seltsam, die Geschehnisse damals an der Lanton Universität als „praktische Erfahrung“ zu bezeichnen. Der Begriff „Alptraum» traf es eher. Sie würde niemals in der Lage sein, diese Erinnerungen abzuschütteln, als sie ihre beiden engen Freundinnen im Studentenwohnheim mit durchschnittener Kehle in ihrem Blut liegend fand.
Das letzte, was ihr zu der Zeit eingefallen wäre, war ein Training beim FBI zu machen. Sie war in den Fall verwickelt worden, ohne überhaupt eine Wahl gehabt zu haben – und sie hatte dabei geholfen, ihn aufzuklären. Darum wusste auch so ziemlich jeder hier vom ersten Tag an, wer sie war.
Und als das Programm dann angelaufen war und alle anderen Studenten etwas über Gerichtsmedizin lernten und wie sie ihre Computer zu bedienen hatten, hatte Riley den totbringenden Clown-Killer aufgespürt. Beide Fälle waren traumatisch und lebensbedrohlich gewesen.
Ein direkter Sprung ins kalte Wasser in punkto „praktischer Erfahrung“ hatte sie bei den anderen Praktikanten nicht sonderlich beliebt gemacht. Vielmehr war die ganze Zeit über die stillschweigende Abneigung ihr gegenüber fühlbar gewesen.
Und jetzt beneideten sie mindestens eine Handvoll Praktikanten dafür, dass es nun für sie weiterging – auf die Akademie.
Wenn die wüssten, was ich durchgemacht habe, dachte sie.
Sie bezweifelte, dass sie sie dann weiterhin beneiden würden.
Sie fühlte das Entsetzen und die Schuld, wenn sie an ihre beiden ermordeten Freundinnen in Lanton dachte. Sie wünschte, sie könnte die Zeit zurückdrehen und es verhindern, bevor es überhaupt passierte. Nicht genug damit, dass ihre Freundinnen dann noch am Leben wären – ihr eigenes Leben wäre jetzt vollkommen anders. Sie hätte einen Abschluss in Psychologie und irgendeinen 08/15-Job. Und sie würde sich ziemlich unsicher fühlen, was den Rest ihres Lebens betraf.
Und Ryan wäre überglücklich.
Sie bezweifelte jedoch, dass sie selbst glücklich sein würde. Sie hatte keine besondere Neigung zu einer bestimmten beruflichen Laufbahn an den Tag gelegt, bis sich die Möglichkeit ergeben hatte, FBI-Agentin zu werden – auch wenn es sich so anfühlte, dass der Beruf sie gewählt hatte und nicht andersherum.
Als die drei Reihen ordentlich saßen bzw. standen, erzählte Hoke Gilmer einen Witz. Damit alle lachten, wenn der Fotograf den Auslöser drückte. Riley war nicht zu Scherzen aufgelegt, deswegen erschien ihr der Witz als nicht besonders lustig. Sie war überzeugt, dass ihr Lächeln gezwungen und unsicher aussah.
Sie fühlte sich zudem nicht ganz wohl in ihrem Hosenanzug, den sie vor ein paar Monaten in einem Kleiderladen für gemeinnützige Zwecke gekauft hatte. Die meisten anderen Praktikanten waren finanziell bessergestellt als sie und auffallend besser gekleidet. Sie freute sich nicht darauf, das gerade geknipste Foto zu Gesicht zu bekommen.
Dann löste sich die Gruppe auf, um an einem anderen Tisch in der Mitte des Raumes den Imbiss und die Erfrischungsgetränke zu sich zu nehmen. Jeder scharte sich in seinem Freundesgrüppchen zusammen und wie gewöhnlich, fühlte sich Riley isoliert.